Niemands Land by Dröge Philip

Niemands Land by Dröge Philip

Autor:Dröge, Philip [Dröge, Philip]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492976435
Herausgeber: Piper Verlag GmbH
veröffentlicht: 2017-02-27T12:30:28+00:00


8

Klein-Monaco

Im Insolvenzgericht, The Strand, London,

am 27. September 1895

Gerichtspräsident Charles Pope blättert in seinen Unterlagen. Endlich findet er das gesuchte Blatt und mustert Laurie Somers forschend.

»Wie ich sehe, haben Sie Mr. Neal, Ihren Metzger, nicht bezahlt. Es geht um dreiundsiebzig Pfund. Warum?«

Somers zuckt mit den Schultern. »Neal hat Hunderte von Pfund an mir verdient, und das immer wieder.«

Der Richter vertieft sich erneut in seine Unterlagen. »Hier steht, dass Sie Ihren Schneider ebenfalls nicht bezahlt haben. Und bei Mrs. Mackenzie ist auch eine Rechnung über vierundsiebzig Pfund offen. Dieses Geld war wofür?«

Somers rutscht nervös auf der Anklagebank hin und her. »Für Miete und Mobiliar.«

»Dann wäre da noch die Rechnung über zweihundert Pfund vom Reklamebüro Sell’s. Was hat es damit auf sich?«

Somers wird laut: »Die sollten meine Firma bekannt machen. Ich wünschte, ich hätte sie nie kennengelernt!«

»Angesichts der unbezahlten Rechnung dürfte das wohl auf Gegenseitigkeit beruhen«, bemerkt Pope bissig.

Der Richter vertieft sich erneut in die Dokumente. Der Fall ist eindeutig: Bei Somers stapeln sich die unbezahlten Rechnungen, ohne dass er den Forderungen nachkommen kann. Eine Insolvenz ist unausweichlich, nur noch reine Formalität. Aber Pope ist neugierig und möchte sich die Sache näher erklären lassen. Wie kann es sein, dass Somers, einst biederer Besitzer eines Londoner Schreibwarenladens, auf einmal bankrott ist? Er setzt das Verhör fort.

Der Mann auf der Anklagebank kann sein Scheitern in einem Wort zusammenfassen: Moresnet.

Um seine Rechtfertigung begreifen zu können, hilft ein Blick in die Geschichte.

Gespielt wurde schon immer: Bereits die alten Griechen und Römer, aber auch die Adligen am französischen Königshof liebten das Glücksspiel. Dabei traten sie in der Regel direkt gegeneinander an und wetteten beispielsweise beim Würfeln auf eine bestimmte Augenzahl. Oder sie setzten ihr Geld auf der Rennbahn auf ein bestimmtes Pferd. Das führte immer wieder zu Problemen: Man muss schließlich erst einmal jemanden finden, der gegen einen wetten will und der nicht gleich Reißaus nimmt, wenn sein Pferd nicht als Erstes durchs Ziel geht.

Jahrhundertelang hat das so funktioniert, in einem sehr kleinen Maßstab. Bis das Glücksspiel im 18. Jahrhundert zunehmend professionelle Formen annimmt. In den Metropolen Europas ist die Nachfrage so groß, dass ein eigener Berufsstand aus Mittelsmännern entsteht, die von den Rennbahnbesuchern Wetten annehmen: bookmaker, wie sie in Großbritannien heißen, nach dem großen Buch, in das sie die Wetten eintragen.

Einzelne Buchmacher schließen sich zu Firmen zusammen. Diese Wettbüros sind relativ verlässlich, wenn es ums Auszahlen der Gewinne geht. Außerdem kann man jetzt auch Geld gewinnen, wenn ein Pferd nicht so gut ist, weil die Buchmacher Wahrscheinlichkeitsberechnungen durchführen. Private Wetten gibt es kaum noch. Schon bald setzt die Branche Millionen um. Ein guter Buchmacher gewinnt immer, weil er sein Risiko streut.

Auch eine andere Form des Glücksspiels kann deutliche Zuwächse verzeichnen: 1763 wird im belgischen Spa das erste moderne Casino Europas eröffnet – ein Ort, an dem man gefahrlos um Geld spielen kann. Nicht indem man auf Pferde wettet, sondern auf den Ausgang eines bestimmten Spiels. Eines davon ist E. O., ein Vorläufer des heutigen Roulettes, bei dem die Fächer um das Rad die Buchstaben E und O enthalten: E für even (gerade) und O für odd (ungerade).



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